Während die Existenz der Gaumenmandeln allgemein bekannt ist und deren schmerzhafte Erkrankung (Angina) fast jedem geläufig ist, fristet die Rachendachmandel (im Volksmund: „Polypen“, medizinisch „adenoide Vegetationen“) ein fast unbeachtetes Dasein. Kaum ein medizinischer Laie weiß, was das ist, wo es liegt und welche gravierenden Folgen es haben kann, die Existenz einer vergrößerten Rachendachmandel beim Kind zu übersehen. Die meisten Eltern wissen erst dann ungefähr Bescheid, wenn ein Kind operiert worden ist, und dieser kleine und harmlose Eingriff wird oft Jahre zu spät durchgeführt. Dies hat schwerwiegende Folgen für die Entwicklung der betroffenen Kinder.

Die Rachendachmandel besteht aus lymphatischem Gewebe, ähnlich den Gaumenmandeln, und liegt hinter der Nase am Rachendach, hinter den Choanen (hintere Nasenlöcher), durch die sich die Nase zum Rachen öffnet. Sie beginnt meist ab dem zweiten Lebensjahr zu wachsen und erreicht im dritten bis siebenten Lebensjahr ihr Größenmaximum. Ab der Pubertät schrumpfen die adenoiden Vegetationen wieder, sodass sie dann in der Regel kein Problem für die Ohren oder die Nasenatmung mehr darstellen.

Weil eine vergrößerte Rachendachmandel die Nasenatmung behindert, wird im Volksmund auch von „Polypen“ gesprochen, obwohl sie nichts mit den Nasenpolypen des Erwachsenen zu tun hat.

Die Folgen für das Kind, was das Gehör, die geistige Entwicklung und Zahnfehlstellungen angehen, können aber schwerwiegend sein und werden immer wieder sträflich unterschätzt. Ein gesundes Kind muss durch die Nase frei atmen können und mit geschlossenem Mund schlafen, ohne zu schnarchen!

Bild einer vergrößerten Rachendachmandel

Die Rachenmandel verschließt die Öffnung der Nase zum Nasenrachen, hier eine endoskopische Aufnahme der linken Choane.

Wenn ein Kind nicht mehr durch die Nase atmen kann, bleibt der Mund offen. Dann ist es nicht mehr möglich, dass die Zunge am harten Gaumen aufliegt und diesen formt. Fehlt der formende Gegendruck der Zunge auf den harten Gaumen, so wirken nur mehr die Kräfte der Kaumuskulatur und formen den harten Gaumen immer höher, bis ein überhöhter Gaumenbogen, ein so genannter „Spitzbogengaumen“ entsteht. Im gleichen Ausmaß wie der Gaumenbogen höher wird, wird die Zahnreihe des Oberkiefers oben enger. Es kommt zu Zahnfehlstellungen wie Kreuzbiss oder offener Biss. Die zweiten Zähne haben keinen Platz, eine aufwendige kieferorthopädische Behandlung ist die Folge.

Der harte Gaumen ist aber auch der Boden der Nase! Als weitere Folge leiden die Betroffenen an einer lebenslang eingeschränkten Nasenatmung, weil die Nasenpyramide zu eng ist.

Bild eines Spitzbogengaumen bei einem Kind

Worst-case-Szenario: ein „gotischer Gaumen“ samt desolatem Zahnstatus

Spitzbogengaumen

Ebenfalls ein überhöhter harter Gaumen, die Zunge findet darin keinen Platz.

Die Folgen für Nase, Nasenrachen und Luftwege

Immer wiederkehrende Infekte, schlecht abheilender Schnupfen oder Dauerschnupfen und eine zunehmende Behinderung der Nasenatmung können die Folgen einer vergrößerten Rachendachmandel sein. Diese Probleme führen in weiterer Folge zu Nasennebenhöhlenproblemen und sogar Kieferhöhlenentzündungen, da die Kieferhöhle normalerweise durch Sog beim Schnäuzen entleert wird und das Schnäuzen wegen der vergrößerten Rachendachmandel unterbleibt.

Jede länger dauernde Mundatmung führt in der kalten Jahreszeit zu einer Schädigung der Schleimhaut von Luftröhre und Bronchien, da die Funktionen der Nase wie Reinigung, Anfeuchtung und Erwärmung der Atemluft ausfallen.

Auch ein Symptom: nächtliches Schnarchen. Beim Schlaf mit offenem Mund fällt die Zunge zurück und verlegt den Kehlkopfeingang. Dadurch tritt eine akute Atemnot auf, die meist mit Angstträumen verbunden ist und das Kind aus dem Schlaf aufschrecken lässt. Dieser „Pavor nocturnus“ lässt die Kinder häufig auch bettnässen. Die Folge sind Tagesmüdigkeit, Konzentrationsprobleme und Einschlafen in der Schule.

Schlucken können ist nicht selbstverständlich

Auch die Nahrungsaufnahme ist bei blockierter Nasenatmung hochgradig erschwert. Gleichzeitiges Kauen und Atmen durch die Nase ist mit einer vergrößerten Rachendachmandel kaum möglich, betroffene Kinder sind oftmals untergewichtig oder sie schlingen die Nahrung ungekaut hinunter, was der Verdauung, die ja schon im Mund beginnt, ebenfalls nicht zuträglich ist.

Ohrenschmerzen – auch eine Folge der vergrößerten Rachendachmandel

Wird im Ohr durch die vergrößerte Rachendachmandel die im Nasenrachenraum seitlich gelegene Öffnung der Ohrtrompete blockiert, so kommt es häufig zur Entwicklung eines Mittelohrergusses: Die Ohrtrompete öffnet sich normalerweise spontan beim Schlucken und gewährleistet so den Druckausgleich des Mittelohres. Fällt dieser Druckausgleich zur Umgebungsluft weg, so bildet sich zunächst eine dünnflüssige, später zähe Schleimabsonderung im Mittelohr, das normalerweise luftgefüllt ist. Die Folge: Das Gehör wird beeinträchtigt. Unentdeckt führt der Mittelohrerguss zu immer wiederkehrenden Mittelohrentzündungen und letztendlich zur chronischen Mittelohrentzündung mit bleibendem Trommelfelldefekt, der später nur mehr operativ behoben werden kann.  (Wenn verzweifelte Mütter schildern, dass ihr Kind zahlreiche Mittelohrentzündungen gehabt hat und sie nicht wissen, warum, so ist vermutlich eine vergrößerte Rachendachmandel, die nicht erkannt wurde, daran schuld.)

Folgende Symptome sollten Sie unbedingt beim HNO-Arzt abklären lassen:

  • tags oder nachts auftretende Mundatmung
  • nächtliches Schnarchen
  • immer wiederkehrende Infekte des HNO-Bereiches (Dauerschnupfen, Nasennebenhöhlenentzündung, chronische oder asthmatische Bronchitis, chronischer Mittelohrerguss, rezidivierende Mittelohrentzündung, Gedeihstörung des Kindes)

Bei dieser Untersuchung werden nicht nur die Ohren mit dem Mikroskop untersucht, sondern es wird insbesondere die Rachendachmandel inspiziert. Die exakte Beurteilung der Größe der Rachendachmandel gelingt bei vielen Kindern am besten mit einem kleinen Endoskop direkt durch die Nase, was völlig schmerzlos ist und den Vorteil hat, den so erhobenen Befund mittels Video auch den Eltern demonstrieren zu können.

Wenn die Rachenmandel noch nicht allzu stark vergrößert ist, kann zunächst noch der Versuch einer konservativen Behandlung mit Medikamenten gemacht werden. Zeigt dies nicht den gewünschten Erfolg, so ist die Entfernung der Rachendachmandel, die keineswegs mit der Entfernung der eigentlichen Mandeln verwechselt werden darf, der wichtigste Schritt zur Wiederherstellung einer normalen Nasenatmung und auch zur Sanierung der Ohren. Sie ist ein völlig harmloser und praktisch risikoloser Eingriff in Allgemeinanästhesie, der keine Schmerzen verursacht. Die Operation gilt als „kleinster und segensreichster Eingriff unseres Fachgebiets“ (Zitat Prof. Dr. Dietrich Plester), da dadurch weitreichende Spätschäden abgewendet werden können.